Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Nein-sagen

"Ich möchte, dass du der Kollegin bei der Pflege der Personalakten hilfst.", sagt der Chef.
Ich lehne mich an die Tür, verschränke die Arme vor der Brust und atme tief ein, während ich nach geeigneten Worten suche. Und dann sage ich:
"Nein."
Im Büro herrscht frostige Stille.
Dann erkläre ich laut, was ich alles tue. Das meine Tage eigentlich schon doppelt so viele Stunden haben müsstem, um all das, was man mir übergibt, in der dafür vorgesehenen Zeit zu schaffen. Ich verdeutliche, dass ich bereits regelmäßig mehrfach in der Woche lange vor dem offiziellem Arbeitsbeginn an meinem Schreibtisch sitze, um meine Aufgaben überhaupt zu schaffen.

"Ich möchte, dass du der Kollegin bei der Pflege der Personalakten hilfst.", wiederholt der Chef.
"Nein.", sage ich wieder. Dabei bohre ich den Fingernagel meines Zeigefingers fest in meine Daumenkuppe, wild entschlossen, mich hier nicht mehr zum Volldeppen machen zu lassen.

"Ich helfe meinen Kollegen gerne, wenn es nötig ist.", sage ich, "Aber wenn sie bei der Arbeit rumtrödeln, weil sie sich darauf verlassen, dass sie irgendwann schon irgendjemand unterstützen und retten wird, dann werde ich sauer. Und dann bin ich auch nicht mehr bereit, zu helfen. Übrigens sitze ich hier immer alleine, wenn ich früher kommt, um den Berg wegzuarbeiten, der sich auf meinem Schreibtisch in die Höhe türmt..."
Kurz denke ich nach.
"Und ganz im Ernst", sage ich schließlich, "Es kann doch wohl auch nicht die Lösung sein, dass immer mir all die Aufgaben übergeben werden, die andere nicht auf die Reihe kriegen. Ich habe mittlerweile das Gefühl, dass das regelrecht ausgenutzt wird, frei nach dem Motto: ´Mmh, die Aufgabe finde ich doof, die mache ich einfach nicht, wenn ich das lange genug hinausschiebe, wird Frau Muschelmädchen das schon machen...´. Für mich ist es aber keine Lösung, all die Aufgaben zugeschustert zu bekommen mit der Ansage: ´Mach das mal, bei dir weiß ich wenigstens, dass du das hinkriegst und kann mich darauf verlassen, dass das läuft.´"
"Ehrlich", sage ich und klinge mittlerweile vermutlich einigermaßen angefrustet, "Das kann doch so nicht richtig sein. Ich schaffe die Arbeit einfach nicht mehr, ich komme nicht mehr hinterher. Und müde bin ich auch."

Anschließend hilft der Chef der Kollegin bei der Pflege der Personalakten.
Sie bedankt sich nicht bei ihm und steht nach getaner Arbeit als erste an der Tür, um endlich in den Feierabend zu gehen. Vermutlich ist sie angefressen, ob der Überstunde, sie sie nun gezwungenermaßen machen musste.
Ich rolle innerlich mit den Augen. Mein Chef mustert mich und nickt mir unauffällig zu. Auch er hat ihr Verhalten bemerkt. Vielleicht weiß er jetzt, was ich meine.

Kommentare

  1. Antworten
    1. Danke. Ich bin auch ein bisschen stolz, um ehrlich zu sein.

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  2. Das war mutig (und überfällig). Und unter uns: Nach dem ersten Nein wird es meist ein wenig leichter.^^

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    1. Nachtrag: Und wenn sich ob des Neins das schlechte Gewissen meldet, dann denk an die Sauerstoffmasken-Metahpher (oder googele mal danach). Die war damals mit (m)ein Augenöffner. Gemeinsam mit der Erkenntnis, dass ich keinen Wert auf Menschen lege, die mich nur als Ja-Sager mögen.

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    2. Wow, absolut richtig gemacht. Das ist so treffend zur Zeit, hoffentlich färbt das ab (auf mich)

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    3. Das "Nein" hat mir einfach gut getan, muss ich zugeben. Ich bin davon überzeugt, dass das richtig war. Aber wenn es leichter werden würde, nein zu sagen, wäre das auch schön...

      @Whimsy: Wenn wir uns im Oldenburger Cafe sehen, darfst du mir gerne siebenmal über den Kopf streicheln. Vielleicht bringt das Glück und das Nein-sagen färbt ab. :-)

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  3. Respekt und Kompliment!
    Manchmal muss man deutlich werden. Sonst ist man der Esel, der sich lieber totschleppt als "nein" zu sagen!
    Und wenn der Chef gemerkt hat, was bei manchen Deiner Kollegen Methode ist, dann hat es wohl hoffentlich auch nachhaltig genutzt.

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    1. Danke und danke.
      Allerdings glaube ich, dass mein Verhalten verpuffen wird und schon zeitnah wieder in Vergessenheit gerät. Aber wer weiß, vielleicht irre ich mich ja. Das wäre schön.

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