Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Wunsch ein Hungerhaken zu sein

Mich zu deprimieren ist leicht: Man nehme eine Kleiderkammer, gebe mir eine Rolle schwarzer Müllsäcke in die Hand und pflanze mir den Vorsatz in den Kopf, Klamotten auszusortieren. Ich brauche lediglich sieben Minuten um festzustellen, dass ich zugenommen habe. Der große Spiegel, der im Kämmerchen hängt, hilft mir auch nicht dabei, mich besser zu fühlen. Wenn es ihn nicht gäbe, könnte ich mir die 90-60-90-Maße vielleicht wenigstens einbilden. So aber zeigt er mir unverblümt die schonungslose, fast schon schmerzhafte Wahrheit: Könnte ich vor mir selbst wegrennen, würde ich es zweifellos tun. Erstaunlicherweise bin ich aber wenigstens noch, zumindest in Maßen, dazu fähig, das zu schätzen, was ich habe: Brüste, deren Cup-Größen den meisten Menschen vermutlich unbekannt sind. Heute - nur heute - bin ich ernsthaft froh darüber, dass ich Brüste habe: Hätte ich zu meinem mir unglaublich verhassten Bauch auch noch ein A-Körbchen an Brust zu bieten, würde ich unwahrscheinlich albern aussehen: Wie eine Rumkugel auf zwei Zahnstocherbeinen. Andererseits könnte ich dann wenigstens mal meine Schuhe sehen. Aber vermutlich retten auch die schönsten Schuhe der Welt, die sich ohne Frage in meinem Besitz befinden, eine Rumkugel auf zwei Zahnstocherbeinen nicht davor, seltsam auszusehen. Also ziehe ich vermutlich meine Brüste der kleineren Version vor. Aus Ästhetikgründen.

Kleidungsstück für Kleidungsstück sortiere ich aus. Dabei bin ich dieses eine Mal wirklich großzügig: Ich werfe annähernd alles weg, was mir nicht passt. Auch diese eine Hose, die ich mir vor sechs Jahren gekauft habe und in die ich mich irgendwann einmal, bei passender Gelegenheit, hineinhungern wollte. Und das hübsche Babydoll-Kleid, das man nur anziehen kann, wenn man spindeldürr ist, weil man anderenfalls aussieht als wäre man schwanger. Ungefähr 15 Hosen entsorge ich. Einige passen mir nicht mehr, andere sind zu abgetragen und ein Teil davon hat mir einfach zu weite Hosenbeine. Wenn ich schon einigermaßen schlanke Beine habe, dann will ich sie wenigstens betonen. In Hosen mit weiten Hosenbeinen fühle ich mich erst recht moppelig. T-Shirts und Blusen: Ich kann eine Frauenfußballmannschaft mit entsorgten T-Shirts und Blusen versorgen. Und mit Hotpants. Davon wandern auch so einige in den Müllsack. Denn ich habe beschlossen, dass ich ab diesem Sommer zu alt bin für hässliche Hotpants. Wenn ich schon halbnackt auf die Straße gehe, dann nur noch in wunderzauberschönen kurzen Hosen.
Einzig die Corsagensammlung fällt meiner ich-ersticke-in-unnötigem-Zeug-und-muss-jetzt-sofort-ganz-viel-wegwerfen-Wut nicht zum Opfer und bleibt stattdessen unangetastet. Auch wenn ich, wie ich zugeben muss, überlegt habe, mich von dem einen oder anderen Stück zu trennen. "Stell dir nur vor", hat neulich auf einer Party ein hübscher Mann zu mir gesagt, "Du gehst mit einer Frau ins Bett, lüpfst ihre Corsage und entdeckst erst dann das ganze Ausmaß ihrer grauenhaften Figur." Daraufhin lachte er herzhaft. Während ich seitdem überlege, ob ich auch so eine gruselige Überraschung wäre, würde man mich auspacken. Hin- und hergerissen bin ich. Denn es ist vermutlich nicht ganz von der Hand zu weisen, dass eine gut geschnürte Corsage den einen oder anderen kleinen Makel der weiblichen Figur zu vertuschen vermag. Auf der anderen Seite mag ich das Körpergefühl, das mir Corsagen vermitteln: Es ist unwahrscheinlich leicht, mit einer Corsage seine körperlichen Vorzüge - Brüste und Taille - zu betonen. Ich fühle mich sexy in Corsagen. Ob ich sie nun offen sichtbar oder nur für mich selbst unter einer entsprechenden Bluse trage.

Als ich schließlich vier schwarze Säcke mit Kleidungsstücken, die zu entsorgen ich bereit bin, gefüllt habe, fühle ich mich nicht erleichtert. Sondern nur noch dick und unförmig und ganz schön mimimi-selbstmitleidig. Das ist aber auch unfassbar unfair, dass ich gutes, leckeres Essen so gerne mag, dass ich ein Genussmensch bin und Essen als Lebensqualität empfinde. Muss ich mich wirklich zwischen leckerem Essen und einer schönen, schlanken Figur entscheiden? Warum zur Hölle kann ich nicht beides haben? Und warum gibt es eigentlich nur Männer da draußen, die auf komische, sich selbst kasteiende Hungerhaken stehen? Und ja, ich neige gerade zur Übertreibung. Und zur Hysterie. Ist mir aber egal, weil: Ich darf das, ich bin eine Frau. Werde mich jetzt in die weitesten Kuschelklamotten werfen, die ich besitze, und mich aufs Sofa verziehen, um an einer Scheibe Gurke knabbern, von der ich mir vorstelle, sie wäre ein Schokoladeneis. Muss intensiv meine Möglichkeiten überdenken und einen Lebensplan entwerfen:

a) Ziehe in Erwägung, das Haus niemals wieder zu verlassen. Verabredungen werden nur noch online eingegangen. Falls ich mich dafür entscheide, mich jemals wieder vor einem fremden Menschen nackt auszuziehen, dann nur noch, wenn vorher klar vereinbart wurde, dass es Sex, der ausschließlich in Missionarsstellung praktiziert wird, nur mit geschlossenen Augen im abgedunkelten Zimmer gibt. Stöhnen ist dann auch nicht mehr erlaubt. Einfach so, weil ich Spaßbremse und Spielverderber bin. Wer kann, der kann, nech?! Und: Lebensmittel bestelle ich nur noch online. Werde so lange so viel essen bis ich vor Glück platze.
b) Geistesblitz! Habe während meiner Studienzeit ausschweifend "Malcolm mittendrin" gesehen. Da gab es eine Folge, in der Hal Lois heimlich fettgefüttert hat. Muss unbedingt suchmaschinieren, ob es einen Fetisch gibt, bei dem Männer es scharf finden, ihre Frauen dick werden zu lassen. Sollte mich gegebenenfalls auf einschlägigen Internetplattformen umsehen. Frage mich allerdings, wie ich einen frauenmordenden Axtmörder an seinem Online-Profil erkennen kann. Werde mich diesbezüglich absichern und vor jedem Online-Treffen bei A.stro-TV anrufen, um mir meine Zukunft vorraussagen zu lassen.
c) Könnte Sport treiben. Vorschlag abgelehnt. Einstimmig. Ist eindeutig zu anstrengend.
d) Werde nie wieder etwas anderes essen als Gemüse und Salat und Globuli zur Gewichtsreduktion. Weil man von Globuli nicht satt wird, Salat kein Essen und Gemüse ohne Fleisch eher nur semilecker ist, werde ich vermutlich in Rekordgeschwindigkeit an Farbe und Gewicht verlieren. Ziehe eine Karriere als militanter Frutarier in Erwägung. Zumindest bis ich vor lauter Hunger ganz unsichtbar geworden bin. Als Geist schocke ich dann nur noch die bösen Fleischfresser.

Kommentare

  1. warum nimmst du dich nicht so an, wie du bist?

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    1. Der Post ist - bitte, bitte, bitte - keineswegs so ganz ernst zu nehmen.
      Tatsächlich fällt es mir nicht ganz leicht, mich anzunehmen. Aber es ist schon sehr viel besser geworden. Wirklich. :-)

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  2. Du hast Glück. Es soll viele Liebhaber für Version b geben. Damit musst Du Dir ab sofort keine Sorgen mehr machen. ☺

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    1. Hör auf den Doktor, er hat Recht.

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    2. @DrSchwein

      Hach. Jetzt geht es mir besser. Muss nur noch herausfinden, wie man solche männlichen Exemplare findet. Aber das wird sich wohl bewerkstelligen lassen. ;-)

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  3. Selbstverständlich gibt es nen Fetisch für so was. Gibt ja schließlich für Alles einen.

    Und aus Erfahrung kann ich Dir sagen, das mit der Gurke und dem Schokoeis klappt nicht. So viel Selbstbetrug krieg ich beim besten Willen nicht hin.

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    1. Du hast sowas von recht.
      Eigentlich mag ich Gurke... Aber in diesem Fall war sie nicht lecker. Nicht zu vergleichen mit Schokoladeneis. Grauenhaft.

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  4. Diese Hungerhaken sehen vielleicht gut aus, wenn sie in entsprechendes Textil verpackt sind. Fallen die Hüllen empfinde ich es als durchaus angenehmer, wenn die Gestalt darunter griffiger ist.

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    1. Das ist absolut zutreffend - wie ich aus eigener Erfahrung mit beiderlei Seiten bestätigen kann.

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    2. @Paterfelis
      Ist das so? Das ist ein wirklich beruhigender Gedanke...
      (Bei mir ist das übrigens wirklich so. Ich brauche keinen makellosen Mann. Dieser würde nur meine Komplexe nähren. Allerdings bin ich mir andersherum immer nicht sicher, wie wahr das ist, dass Männer keine Frau mit Modelmaßen brauchen.)

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    3. @Rain
      Das wäre schön. Wenn es so wäre. :-)

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    4. Ja, es ist wirklich so. Meine bessere Hälfte wird dir das zweifelsfrei bestätigen können. :-D

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  5. Mmh, als Ex einer Magersüchtigen kann ich Dir nur raten: Bleib, wie Du bist und akzeptier Dich so.
    Es ist egal, ob gross oder klein, dick oder dünn.
    Alle haben ihr Päckchen zu tragen.
    Und glaub mir: Dünn zu sein macht auch nicht glücklich.
    Wir sind an diesem "Wahn" gescheitert.

    PS: Hab mich zwar Monate nicht mehr hier gemeldet, aber trotzdem alles gelesen.

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    1. Ach ja, und wir waren nicht zusammen, weil sie so dünn war, sondern trotz.
      Ich habe die damit zusammenhängende Problematik schlicht unterschätzt.

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    2. Schön, dass du mal wieder auftauchst. Ich habe mich schon gefragt, wohl du wohl abgeblieben sein magst...

      Natürlich hast du recht: Niemand ist perfekt und alle haben ihr Päckchen zu tragen. Ich versuche, mich zu akzeptieren. Es ist auch schon besser geworden. Da bin ich mir sicher. Nur leicht ist es nicht...
      Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Essstärung die Beziehung erheblich belastet. Das tut mir leid.

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    3. Naja, ich lese meist nur schnell die Beiträge in den Blogs und denke mir meinen Teil.
      Kommentieren und dann später ggf. ne Antwort bekommen usw. ist ja auch wieder Zeitaufwand. Und ich verplembere doch schon genug Zeit mit lesen...

      Wenn es nur die Essstörung wäre... Aber da kommen mit der Zeit noch andere Störungen zum Vorschein oder dazu, sei es Ritzen, Waschzwang, Depressionen usw..
      Und dafür dann nen Therapeuten zu finden, der Termine frei hat, das Gebiet abdeckt und vom Patient als Hilfe akzeptiert wird - quasi unmöglich.

      Von daher, lass uns mit unseren jeweiligen "Problemzonen" leben. Es ist vielleicht nicht leicht, aber man muss es sich ja nicht auch noch zusätzlich schwer machen.
      VG und einen sonnigen Tag

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    4. Das ist schade. Gerade die Leser eines Blogs sind es, die den Blogger zu neuen Posts anfeuern. Denn gelesen werden und darum zu wissen, macht Spaß.

      Ja. Mit den Problemzonen zu leben ist vermutlich ein guter Vorsatz.
      Hab einen schönen Abend.

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