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Es werden Posts vom Oktober, 2017 angezeigt.

Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von Tagebuchsachen

Mmh. Ich habe das dringende Bedürfnis zu schreiben, aber kann das, was in meinem Kopf vorgeht, nicht so wirklich in Worte fassen. Wenn ich mir vergangene Posts zu Gemüte führe, stelle ich fest, dass es seit 2012 immer wieder die gleichen Themen sind, die ich schreiberisch verwurste: Posts zu irgendwelchen diffusen Selbstzweifeln Posts zum Job Posts zu schweren Themen wie Missbrauch, Akoholismus usw. Posts zur "Sehnsucht nach mehr" - mehr Leben, mehr Menschen, mehr Intensität Posts über Alltagsbegegnungen ... Seitdem mir das so klar vor Augen steht, zweifle ich am schreiben. Der Gedanke, dass ich mich mit diesen Themen auseinandersetze bis ich weiße Haare habe und ganz runzlig im Gesicht bin, beunruhigt mich. Stillstand macht mir Angst. Und ich frage mich, ob ich mich in den letzten Jahren wirklich weiterentwickelt oder mir das nur eingeredet habe. Um etwas neues zu erzählen, könnte ich schreiben, dass das Formicarium mittlerweile leer ist und ich wochenlang überlegt

Von Bummibärenängsten

Ich sitze auf dem weichen Teppich des Kinderzimmers. "Das ist mein Lieblingsstickeralbum.", sagt sie und lehnt sich an mich. Ihr Ellenbogen stützt sich spitz auf meinen Oberschenkel und ich wage es nicht, mich zu bewegen. Wie zerbrechlich dieses Mädchen mir erscheint und wie wertvoll ihr Vertrauen in mich. Wie immer, wenn ich mit ihr zusammen bin, überfällt mich das tiefe Bedürfnis, sie vor allem Unheil dieser Welt zu schützen. Seite um Seite blättert das kleine blonde Mädchen in ihrem Stickeralbum um und zeigt mir jeden ihrer Aufkleber einzeln, als wäre er ein Schatz von immenser Bedeutung. Sie erklärt mir, wer ihr welchen wann geschenkt hat und erfindet kleine Geschichten zu den Bildern. Irgendwann aber fangen wir an, uns auf jeder Seite auszusuchen, welches der Bilder uns selbst am meisten entspricht. So verwandelt sie sich nacheinander in ein Pony, einen Welpen und ein grünes, aber sehr niedliches Schrankmonster, während ich mich in einen Schmetterling, einen herzigen

Vom Betrug

"Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar." (Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray) Ich bin etwa 9 Jahre alt. Normalerweise liege ich abends, wenn ich längst schon schlafen soll, mit der Taschenlampe unter meiner Bettdecke und lese so lange heimlich, bis mir die Augen zufallen. Eines Tages aber kann ich mich nicht konzentrieren. Stattdessen lausche ich den gedämpften Stimmen meiner Eltern. Ich kann hören, wie sie sich im Wohnzimmer streiten. Je heftiger ihr Streit wird, desto aufgewühlter werde ich. Die Art, wie sie mit einander umgehen, macht mir Angst. Unwillkürlich stelle ich mir vor, dass sie sich scheiden lassen. Vor lauter Furcht fange ich leise an zu weinen. Bis Mama in mein Zimmer kommt. Sie streicht mir mit den Fingerspitzen über mein Haar und flüstert mir zu, dass alles gut ist. So richtig glaube ich ihr nicht. Dafür klingt ihre Stimme zu wackelig. Trotzdem schließe ich die Auge

Von Lösungen

Ich bin zu pragmatisch. Das liegt mir und meinem Wesen nahe. Über Fehler zu diskutieren und einen Schuldigen zu erörtern, empfinde als zutiefst ineffizient und überflüssig. Noch dazu liegt es mir nicht, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und ihn an den Pranger zu stellen: "Du! Du hast einen Fehler gemacht.". Was gleichermaßen, wenigstens meiner Empfindung nach, impliziert: "Ich spreche mich von deinem Fehler frei. Mir ist dein Fehler nicht passiert.". Nein, das mag ich nicht. Fehler passieren, Menschen sind eben unvollkommen. Während man diskutiert, erörtert, streitet, suche ich nach einem Weg, den Fehler zu beheben. Immer mal wieder lerne ich, dass ich mit dieser Einstellung anecke. Das finde ich interessant. Und ganz besonders im beruflichen Alltag absolut paradox. Heute habe ich fast 14 Stunden gearbeitet. Abends fühle ich mich aufgerieben. Der Tag hat alles, was ich an einem frischen Morgen an Schutzhülle aufbringen kann, um mich vor Ärger, Lärm und Hektik

Von Weckanrufen

Ich liebe sie. Ich liebe sie alle. Meine Mitarbeiter. Und manchmal hasse ich sie. Ab und an sogar ein bisschen mehr. So zum Beispiel heute Nacht um 00:47 Uhr, als das Notfall-Telefon klingelt und der Mitarbeiter mir erklärt, dass er in sechs Stunden nicht zur Arbeit gehen kann, weil er heute einen Termin beim Jobcenter hat. Den Mitarbeiter und 03:05 Uhr finde ich auch super: Der ist zwar auf dem Weg zur Arbeit, hat aber soeben bemerkt, dass er seine Arbeitsschutzschuhe vergessen hat. Und der Mitarbeiter, der um 04:45 Uhr anruft, will mit mir darüber diskutieren, dass er nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen will, sondern Teilzeit. Nachdem ich ihn zweimal freundlich darauf hingewiesen habe, dass ich das sicherlich nicht mitten in der Nacht am Telefon mit ihm besprechen werde, fauche ich es, ganz ungewöhnlich für mich, beim dritten Mal. Das hat Erfolg. Habe beschlossen, mich ab jetzt nur noch schreiend zu verständigen. Scheint hervorragend zu funktionieren. Arschnasen.

Vom Selbstmitleid

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"Es ist schwer zu ertragen, wenn du traurig bist.", sagt er. Und ich schweige. Am Freitag war die Beerdigung von meinem Opa. Und seitdem geht es mir überhaupt nicht gut. Dabei kann ich nicht mal sagen, was genau eigentlich los ist oder was mir fehlt. Mein Herz fühlt sich einfach schwer an. Als hätte man Zement hineingegossen. Bis in die letzte Faser meines Körpers hinein bin ich müde. Mein Körper reagiert auf meinen emotionalen Zustand mit Fieber. Das hat er schon gerne getan, als ich noch ein Kind war. Deshalb weiß ich auch, dass der einzige Weg, aus dieser Phase herauszukommen, darin besteht, weiterzumachen. Einfach aufzustehen und anzufangen, die Dinge anzupacken. Aber dazu fehlt mir die Lust. Ich habe zu gar nix Lust. Nicht einmal zum bloggen. Obwohl schreiben eigentlich immer geht. Stattdessen will ich mich einfach zurückziehen, die imaginären Stacheln nach außen fahren, unberührbar scheinen und einfach nur traurig sein. So viel Selbstmitleid in so einem kleinen Men

Vom Maisfeld

Ich musste heute daran denken, wie gern ich Maisfelder mag. Wie schön ich es früher fand, mich in ihnen zu verstecken. Manchmal habe ich das getan, wenn ich einfach nur meine Ruhe haben wollte. Dann schnappte ich mir ein Buch, machte mein Handy aus und lief einfach so weit wie möglich in das Feld hinein. Dort setzte ich mich dann, las etwas oder hörte einfach nur dem Rauschen des Windes im Mais zu, das ein bisschen wie Meeresrauschen klingt. Als ich größer wurde, versteckte ich dort den Alkohol, den ich noch nicht trinken durfte. Zumindest bis zu dem Tag, an dem ich nur noch die Scherben der Flaschen fand, weil man das Feld gemäht hatte. Und wieder einige Jahre später – das Maisfeld hatte für mich immer noch nichts an Reiz eingebüßt – tobte ich dort mit einem Mann durch, ein Spiel, irgendwo anzusiedeln zwischen Fangen und Verstecken. Es gibt nur eines, was schöner ist, als die Ruhe dort allein zu genießen: Ganz außer Atem und zerzaust, in einem Maisfeld Küsse auszutauschen. Wenn

Von allerlei Gedanken

- 1 - Vor ein paar Monaten wurde ich unvermittelt in ein Personalgespräch geschupst, in dem ich mein Gehalt neu verhandeln sollte. Unvorbereitet ist das so gar nicht mein Ding. Ich bin gerne gut. Und gut bin ich dann, wenn ich vorbereitet bin. Im Gespräch werde ich einigermaßen überfahren. So fühle ich mich auch hinterher. Zwar bekomme ich ein Drittel der gewünschten Gehaltserhöhung, aber die restlichen zwei Drittel werden an eine recht utopische Zielvereinbarung geknüpft. So kommt es, dass ich ziemlich wütend, vor allem aber frustriert aus diesem Gespräch herausgehe. Kann es denn sein, dass man mir mehr und mehr Aufgaben mit der Begründung auflädt, dass ich meine Aufgaben gut erledige, andere sich aber einfach verweigern oder blöd stellen? Einige Wochen lang trage ich diesen Frust mit mir herum. Bis ich schließlich einem anderen Chef gegenüber platze und die Frage aus dem vorigen Satz laut stelle. Denn ich spüre das ich unter meinen Aufgaben mehr und mehr in die Knie gehe. Über ein

Von der Berührung

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Einen Tag, der von oben bis unten mit harter Arbeit angefüllt war, lasse ich in einem Restaurant, einem kleinen, gemütlichen Thailänder, ausklingen. Das Essen bringt mir neue Energie, es ist toll: Das Gemüse ist gut gewürzt und bissfest, die Sauce ein Traum und das Dressing, welches es zum Salat dazu gibt, zum niederknien. Ich mag den kleinen Hauch von Zitronengras, die Garnelen, die Frische und Leichtigkeit des Essens, das so anders ist, als das, was man in Deutschland isst. Mal wieder kommt der Genussmensch in mir zum Vorschein. Essen ist eindeutig Lebensqualität für mich. Lieber bin ich ein wenig weiblicher als mich durch Diäten selbst einzuschränken. Dauerhafte Selbstkasteiung ist einfach nicht meins. Das Leben ist zu kurz dazu. Während ich mich von der Fröhlichkeit, die die zurückhaltende Kellnerin ausstrahlt, anstecken lasse und mich mit einem Mal fühle, als säße ich in einer Strandhütte auf Ko Samui, lese ich mal wieder die Frage, die in braunen, harmonisch geschwungenen