Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Von der Heirats-Lüge

Der Werksleiter hat seit fast drei Monaten nicht mehr mit mir gesprochen. Meine Chefin hat ihm vor etwa zwölf Wochen in einem Vieraugengespräch erklärt, dass ich in diesem Jahr heiraten werde. Dummerweise hat sie mich in diese Lüge nicht eingeweiht. Weder vor noch nach ihrem Gespräch. So bin ich einigermaßen überfordert, als er mich vor ein paar Wochen zur Rede stellt. Und stolpere natürlich. Verbal und emotional. Ich kann nicht lügen. Schaffe es aber irgendwie, mich herauszureden und aus dem Gespräch rauszuwinden. Was folgt ist eisige Funkstille. Er meidet mich. Ganz offensichtlich. Beschränkt unsere Gespräche auf das Notwendigste. Und auch wenn ich spüre, dass er mich auch im vollsten Raum beobachtet, lasse ich ihn in Ruhe. Obwohl mir das ein wenig schwerfällt. Denn jetzt muss ich in Kauf nehmen, dass er mich, seiner Wahrheit nach, berechtigterweise für eine ganz schön blöde Kuh hält.

Irgendwann fängt er an, mir E-Mails zu schreiben. Natürlich ausschließlich im beruflichen Kontext. Wann immer etwas nicht funktioniert, serviert er mir seinen Frust in Worten. Anstatt meinen Kollegen zu schreiben. Anfangs kann ich das ignorieren. Aber ganz allmählich zermürbt mich dieses Verhalten. Bis ich irgendwann explodiere. Angefressen leite ich die E-Mail an den kompletten internen Verteiler weiter und rumpelstilzel dazu hinter meinem Computer rum.
"Kannst du bitte klären, was der Werksleiter für ein Problem hat?", frage ich meine Chefin genervt, "Ich verstehe weder seine E-Mail noch sein Anliegen. Außerdem kann ich gerade nicht mit ihm. Ich glaube, er kann mich einfach echt nicht mehr leiden seit deinem Heirats-Move."
Zu meiner Überraschung muss ich sie nicht überreden, mir zu helfen. Stattdessen sehe ich ihr erleichtert dabei zu, wie sie engagiert zum Telefonhörer greift und seine Nummer wählt. Dummerweise klingelt in diesem Moment ihr privates Handy. Sie checkt die Nummer und beschließt, den Anruf zu beantworten. Sie will mir das Telefon, mit dem sie gerade den Werksleiter anruft, in die Hand drücken.
"Nein!", fauche ich.
"Doch.", sagt sie und zieht die linke Augenbraue hoch.
"Nein!!!", fauche ich nochmal.
"Doch!", weist sie mich nachdrücklich an.
Mir bleibt nichts anderes übrig als ihr Telefon zu nehmen.

"Hallo...", ruft der Werksleiter, der die Telefonnummer meiner Chefin kennt, fröhlich.
"Hallo.", erwidere ich trocken.
Gnaaarh! Ich will nicht mit ihm telefonieren!
Er stockt. Natürlich hat er nicht mich am Telefon meiner Chefin erwartet.
Aber er braucht nur wenige Sekunden, um sich zu fangen.
"Wann wolltest du mir sagen, dass du dieses Jahr heiratest?!", schießt er sofort.
Ich schweige.
"Wann ist das Datum?", fragt er scharf.
Mir ist völlig unklar, was ich antworten soll. Zwar ist seine Reaktion, wenigstens meiner Ansicht nach, ein bisschen überspannt, weil ich ihm weder Hoffnung gemacht noch irgendwie darauf hingearbeitet habe, eine Beziehung zu pflegen, die über ein reines Arbeitsverhältnis hinausgeht, aber in mir sträubt sich trotzdem alles dagegen, ihn anzulügen. Also beschließe ich, die Flucht nach vorne anzutreten.

"Was willst du denn jetzt hören?", frage ich ruhig. Wenn man ein bisschen Feingefühl besitzt, ist vermutlich erkennbar, wie müde ich bin. Ich will keine Diskussionen, keinen Streit, keine unnötigen Brandherde.
"Sag mir das Datum.", fordert er.
Ich kapituliere.
"Es gibt kein Datum.", antworte ich also.
"Wie?", er wirkt irritiert.
"Wie meinst du das?", fragt er.
"Es gibt kein Datum...", wiederhole ich.
In diesem Moment wird mir klar, dass es mich tatsächlich ein wenig trifft, dass er glaubt, ich würde ihm meine Hochzeit verschweigen. Ich bin doch sonst so direkt und hasse es, um den heißen Brei herumzureden. Ganz kurz, nur für einen Augenblick, ziehe ich in Erwägung, die Bombe einfach platzen zu lassen und ihm zu sagen, dass meine Chefin sich diese dämliche Geschichte ausgedacht hat, um ihn von mir abzubringen. Nur kann ich das nicht tun, denn damit würde ich meiner Chefin in den Rücken fallen. Und ist es dann nicht besser, ihn in dem Glauben zu lassen, ich würde lügen, als meine Chefin der Lüge zu bezichtigen? Zumal wir ja eh keine Zukunft haben?
Ich weiß es nicht.
"Ach, vergiss es...", sage ich schließlich ruhig, "Meine Chefin ruft dich gleich zurück. Sie will mit dir sprechen. Es geht um deine Mail. Eigentlich hätte sie am Telefon sein sollen. Aber ihr Telefon hat geklingelt, während sie dich angerufen hat. Sie meldet sich gleich."

Ich lege auf und lasse meinen Kopf auf den Tisch knallen.
"Hmpfpf!", gebe ich von mir.
Ich mag den Werksleiter gerne.
Aber mich nervt die Situation.

Kommentare

  1. Dem Werksleiter (d)eine Heiratslüge auftischen, um ihn "von dir abzubringen"... ?! Und ich hielt mich schon für verhaltensoriginell. Ich überlege gerade, ob deine Chefin evtl. zu viele pseudowitzige Liebesfilme/Screwball-Komödien schaut? Sie sollte das lassen und auf Tomb Raider umschwenken.

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    1. Diesen Vorschlag werde ich ihr unterbreiten. Der wird ihr gefallen! :-)

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  2. Puh.
    Ich hätte auch die Chefin über`s Knie gelegt

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    1. Ist das ein Angebot? ;-) Ich würde darauf zurückkommen! Ich selbst kann sie ja nicht über das Knie legen. Zumindest nicht so lange ich meinen Job brauche.

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    2. Das was der Werkleiter da versucht, ist emotionale Erpressung. Das ist ernst. Erst Entzug der Kommunikation und der emotionalen Zuwendung. Wer so anfängt bringt es dann auch fertig mit dem totalen Ende der Freundschaft zu drohen. Damit du aus Furcht vor der schlechten Stimmung Zugeständnisse machst. Kein guter Mensch für deine Seele wenn er so mit dir umgeht. Du weißt was du möchtest und da darf dich niemand bedrängen.

      Sonst nur stille Leserin musste ich jetzt schreiben. Du scheinst auch in den anderen Beiträgen zur Zeit von einigen Menschen massiv bedrängt zu werden. Zu ihrem Nutzen nicht deinem.
      freundliche Grüße Bea

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    3. Willkommen, Bea, stille Leserin :-) Es ist schön, dass du schreibst.
      Du hast nicht ganz unrecht. Allerdings würde ich nicht so weit gehen und behaupten, ich wäre mit dem Werksleiter befreundet. Deswegen kann ich die Situation einigermaßen entspannt beobachten. Was nichts daran ändert, dass ich mich vor kurzem, wie oben beschrieben, sehr geärgert habe. Im Grunde aber gelingt mir die Abgrenzung ganz gut, denn ich ziehe mich momentan einfach aus dem Kontakt zurück und lasse meine Kollegen alle Themen, die den Werksleiter mehr oder weniger betreffen, regeln. Ich denke, das ist so okay.

      Mich würde aber sehr interessieren, in welchen Posts du noch den Eindruck hast, ich würde bedrängt werden? Vielleicht siehst du etwas, was ich nicht sehe. Für Hinweise bin ich dankbar...

      Hab ein schönes Wochenende. :-)

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    4. Meine Antwort kommt spät da ich dir meine Beobachtungen nicht aufdrängen will. In dem Post =Teufelskreis= war ein ähnliches Thema. Du brauchtest deinen Raum um dich und hast ein schlechtes Gewissen gehabt als du ihn mal genommen hast. Es vermittelt mir den Eindruck eines Menschen der zu allen lieb sein will nur nicht zu sich selbst. Damit keiner geht

      Dein Quote =Stimmt. Aber darin andere auszublenden bin ich nicht besonders gut. Ich will niemanden verärgern.=

      Habe ich auch einmal gemacht mehr von mir gegeben als ich wollte / konnte und dann ist mir mein Leben um die Ohren geflogen. Es war die Angst jemand zu verlieren die mich meine Grenzen überschreiten liess. Von der anderen Seite kam die Drohung den Kontakt ganz abzubrechen wenn ich nicht mehr gebe. Aus Angst dann doch gemacht dabei hätte ich da zu mir selbst ehrlich sein sollen. Denn nach der Drohung war das Vertrauen nicht mehr da. Und eigentlich wollte ich nicht so viel von mir geben.

      So kommst du mir auch vor. Mehr von sich geben als es dir damit gut geht.
      Verzeih wenn das falsch ist oder zuviel. Ich habe dich durch deinen Blog sehr sympathisch gefunden und finde dass deine Grenzen wichtig sind. Wichtiger als andere personen
      viele Grüße Bea

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    5. Du drängst dich nicht auf. Danke, dass du dir die Zeit für diesen ausführlichen Kommentar genommen hast. Es ist absolut unstrittig, dass ich immer wieder daran arbeite und arbeiten muss, meine Grenzen zu definieren und es mir teilweise sehr schwerfällt, mich abzugrenzen.
      Ich kenne meine Schwächen. Aber ich mag auch die Dinge nicht über-dramatisieren. Ich lasse mich emotional nicht erpressen. Nicht mehr zumindest. Aber - da hast du wohl recht - es passiert mir immer mal wieder, dass ich mehr von mir gebe, als ich eigentlich bereit bin. Ein Lernfortschritt ist aber, meiner Meinung nach, dennoch vorhanden.
      Das meine Grenzen wichtig sind, glaube ich auch. Manchmal vergesse ich das aber noch.
      Danke für die offenen Worte.

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