Von der anderen Liebe

"Es geht nicht um mich.", sagt er, "Es geht um dich. Es geht immer nur um dich." Seine Arme legen sich um mich, fangen mich auf, er vergräbt flüsternd die Nase in meinem Haar. "Es geht um dich. Es geht um dich. Es geht um dich.", flüstert er und jedes einzelne Wort fühlt sich an, als würde es tief in mich hineinfallen und mich von innen auftauen. Ich glaube, es ging noch nie in meinem Leben um mich. Natürlich tut es das auch jetzt nicht. (Weil es um ihn geht. Ist doch klar.) Aber es tut mir so gut, dass da jemand ist, der mich sieht. Der ohne eine einzige Forderung zu stellen, da ist, mich lieb hat und annimmt, ohne mich ändern zu wollen. Der einfach dankbar nimmt, was ich zu geben habe, ohne mir im Anschluss den Arm auszureißen und mich zu mehr zu drängen als ich geben will. Jemand, der so ein großes Herz hat, so warmherzig, gütig und voller Liebe ist. Ja, vielleicht ist das alles nur eine Momentaufnahme. Vielleicht wird morgen schon alles ganz anders sei

Vom Rumhühnern

"Tiere lieben anders als Menschen. 
Wer Tiere nicht liebt, kann auch keine Menschen lieben. 
Soviel steht fest."

(Kedi - Von Katzen und Menschen)

Wenn ich mal so einen richtig schlechten Tag haben will, dann fahre ich Landstraße. Mit geschlossenen Augen. Weil ich es überhaupt nicht mag, wenn mein Weg mit überfahrenen Tieren gepflastert ist. Es mag einigermaßen albern klingen und eigentlich ist es eines meiner strenggehüteten Geheimnisse, aber wenn ich Landstraße fahre, bin ich permanent damit beschäftigt, mich leise zu entschuldigen, wenn ich an überfahrenen Tieren vorbeifahre. Das kann mir so richtig den Tag verderben.

Heute allerdings sehe ich morgens, auf dem Weg zur Arbeit, keine toten Tiere. Stattdessen wechselt 100 Meter vor meinem Auto ein verrücktes Huhn im Stechschritt die Straßenseite und bleibt prompt, nach dem Überqueren der Landstraße, auf dem schmalen Grasstreifen direkt neben der Straße stehen. Stolz den Hals gereckt. Verwirrt wische ich mir über die Augen. Aber: Es ist wirklich da. Das Huhn.

Und erst bin ich versucht, weiterzufahren.
Denn ehrlich: Ich bin spät dran, hasse Unpünktlichkeit und auf meinem Schreibtisch türmt sich die Arbeit. Auf der anderen Seite tut mir dieses Huhn aber irgendwie leid. Es muss nach Hause. Und außerdem weiß ja niemand, ob es nicht gleich wieder auf die Idee kommt, dass die andere Straßenseite grüner sein könnte. Innerhalb von Sekunden fechte ich einen harten Kampf mit mir aus. Arbeit? Heimatloses, verlorenes, armes Huhn? Arbeit? Huhn retten?
Das Huhn gewinnt.
Ich kann es nicht riskieren, dass es dort rumhühnert und von einem Auto erfasst wird. Ehrlich, das geht nicht. Ich möchte nicht den ganzen Tag ein schlechte Gewissen haben müssen und mich schlecht fühlen...
Also biege ich 50 Meter weiter mit Vollgas auf einen kleinen Feldweg ein, vollführe eine Vollbremsung und steige aus, um mich auf den Weg zu dem rebellischen Huhn zu machen. Dabei mache ich mir keinerlei Gedanken darüber, was ich mit dem flotten Huhn anstellen will, wenn ich es gefangen habe. Erst einmal will ich es retten. Pläne schmieden kann ich später. Nach dem ersten Kaffee. Weil ja vorher eh nix geht. In meinem Kopf.

So kommt es, dass ich mir ziemlich bescheuert vorkomme, als ich morgens um 7 Uhr auf dem Grünstreifen rumrenne und laut "Puttputtputt" rufe, während der Berufsverkehr an mir vorbeibraust und ich dem selbstmordgefährdeten Hühnchen hinterherflitze, das mich den größten Teil unserer gemeinsamen Zeit mit völler Ignoranz straft. Wieder und wieder lässt es mich näherkommen, als würden wir ein lustiges Spiel mit einander spielen, bevor es wieder wahllos und laut krächzend in irgendeine Richtung wegstolziert. Wenn es zu hektisch zu flattern beginnt, entferne ich mich wieder, denn ich habe Angst, es in Richtung der Straße zu treiben. Nicht mal "puttputtputt - KornKornKorn" zieht. Störrisches Huhn.
Nach 20 Minuten bin ich außer Atem, verschwitzt und genervt. Es steht fest: Das Huhn will nicht so wie ich. Ich nenne es Put-in. Put-in ist ein Arsch! Und weil ich ihn einfach nicht zu fassen bekomme, scheuche ich ihn irgendwann von dem blöden Grünstreifen weg, hinaus auf das Feld, zu den Kühen, einhundert, vielleicht zweihundert Meter von der Straße entfernt. Bevor ich gehe, erkläre ich dem potentiellen Selbstmörder-Put-in genau, wo er hinlaufen darf und wohin nicht. Außerdem erläutere ich, dass heute kein guter Tag zum Sterben ist und Kamikaze-Aktionen unerwünscht sind. Dann winke ich Put-in. Und renne zum Auto.

Den restlichen Weg zur Arbeit gebe ich Vollgas.
Gerade als ich, vollkommen in Gedanken versunken, ein Stoßgebet zum Himmel schicke, Put-in möge sich von der Straße fernhalten und mir nicht Abends, auf dem Heimweg, als Asphaltleiche wiederbegegnen, blitzt es.
Vedammte Axt!
Das könnte ein neues Fahrverbot werden.
Put-in ist ein teures Huhn.
Oder ich bin eine Idiotin.
Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Kommentare

  1. "Putin ist ein teures Huhn."
    Ich habe Tränen gelacht! ^^

    Bitte lass irgendjemanden bei einer Deiner Aktionen mal eine Kamera mitlaufen und YouTuber sein :-)...

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    1. Oh nein. Nein, nein, nein. Das wäre schrecklich peinlich.
      Allerdings freue ich mich wirklich, dass ich dich zum Lachen bringen konnte!

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  2. *lach* Na, der Tag hat gut begonnen ;-)! Schön, dass du mit einem Augenzwinkern drauf schauen kannst!

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    1. Im Zweifel hilft es immer, über sich selbst zu lachen. :-)
      Jeden Morgen bräuchte ich so einen Start in den neuen Tag jedoch nicht.

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  3. Ich liebe Deine Geschichten ... Danke für diesen schönen Start in meinen letzten Arbeitstag dieser Woche! Tolles Kopfkino :-)
    Und morgen wartet Bremen auf mich ...

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    1. Sehr gerne. Hinterher fand ich es auch lustig..

      Ich weiß. Ich erinnere mich daran und hab gerade gestern daran gedacht.
      Hab viel Spaß in Bremen und pass auf dich auf.

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