Posts

Es werden Posts vom 2013 angezeigt.

Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom Erwachen

"Das morgendliche Erwachen beginnt, wenn man bin sagt und jetzt. Dann liegt das Wachgewordene eine Weile still, starrt die Zimmerdecke an und in sich hinein, bis es sich wiedererkannt hat und daraus den Schluss zieht: ich bin. Ich bin jetzt." (Christopher Isherwood: Der Einzelgänger) Morgens, im Bett liegend, mit den Zehen wackeln und langsam erwachen. Den Mund voller Zahnpasta gurgelnd ein Lied singen. Mit den Händen wild durch die langen Haare fahren, sich eine Wischmobbfrisur hexen und dem Spiegelbild eine Grimasse schneiden. Heiß duschen und die kleinen, fluffigen Wasserdampfwolken bestaunen. Sie anhauchen und mit den Fingern zu durchkämmen. Sich von der Luft trocknen zu lassen. Dabei halb verschlafen die Fingerspitzen über den Körper wandern lassen und sich behutsam selbst zu genießen. Einen schwarzen Kaffee kochen, in dem der Löffel steht. Das Fenster zu öffnen. Die kalte Luft zu fühlen, die in das Zimmer dringt und zu riechen, wie der Geruch von Schnee und Ka

Vom Zukunfts-Muschelmädchen

Ich glaube, wenn ich 50 Jahre älter wäre, wäre ich eine wirklich gute Omi. Dann hätte ich schon weiße Haare und viele Falten, wäre ein bisschen klüger und würde mehr Schnaps trinken. Ich würde ganz viel Schokolade und Brathähnchen am Stück essen und mich bei allen anderen darüber beschweren, dass ich immer dicker werde. Dabei würde ich mehrfach betonen, dass ich eigentlich gar nichts esse. Einmal in der Woche würde ich zum pokern gehen. Aber nur, um zu gewinnen. Mit schummeln. Würde mich jemand erwischen, würde ich laut und beharrlich alles abstreiten und wäre anschließend für mindestens eine Woche tödlich beleidigt. Ab und zu würde ich einkaufen gehen, bewaffnet mit meinem Krückstock und ein bisschen Lebensweisheit. Außerdem würde ich auch dann einkaufen gehen, wenn ich nichts brauche: Nur um ein kleines Schwätzchen mit der Kassiererin zu halten. Und natürlich immer abends, wenn es voll wäre: Schließlich will ich etwas für mein Geld bekommen, ich will etwas zu gucken haben und was e

Von der Lust

Manchmal verliere ich mich in kurzen Tagträumen.  Dann schweift mein Blick zum Fenster und ich stelle mir vor, wie ich dort stehe, hinausschaue und er leise von hinten an mich herantritt. Ohne etwas zu sagen schlingt er einen Arm fest um meinen Oberkörper, während er mit der anderen Hand meinen Rock hochschiebt, den Reißverschluss seiner Hose öffnet, meine Unterwäsche ohne Umschweife beiseite schiebt und tief in mich eindringt. Unwillkürlich beuge ich mich vor, klammere mich an das Fensterbrett und keuche leise.  Es muss ein seltsames Bild abgeben, wenn man von außen beobachtet, wie wir hier, eng aneinander gedrückt, stehen, er, seltsam gelassen, ich, mit leicht geöffneten Lippen. Zwei Menschen, die das bunte Treiben vor dem Fenster beobachten. Währernd er mich nimmt. Hart, schnell und präzise.

Von der Morgenträumerei

„Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein ...“ (Ingeborg Bachmann, Aus: An die Sonne) Entspannt sein. Arme und Beine von sich strecken. In einem warmen Raum liegen. Unter einer luftigen Decke. Einen leeren Kopf haben. Voller weißer Watte. Ganz flauschig und träge und weich. Leicht sein. Heimlich ein paar Zentimeter über der Bettdecke schweben. Die Augen locker geschlossen. Ein kleines Lächeln die Mundwinkel umspielend. Weil du an Peter Pan denkst und den Feenstaub. Daran, einfach nicht erwachsen zu werden. Sich treiben lassen. Die Welt loslassen. Unbeschwertheit. Offenheit. Vertrauen. Dann eine Berührung. Federleicht. Sich dem aufmerksamen Blick hingebend. Dem Zeigefinger nachspürend. Der sanft die Kontur deiner Augenbraue nachfährt. Gegen den Strich. Den Nasenrücken hinunter streicht. Vorsichtig. Kaum wahrnehmbar. Und auf deinen Lippen liegenbleibt. Ssssh, sag nichts. Bleib nur.     Jetzt vergräbt sich die Hand in deinen Haaren. Und eine zweite kom

Vom Licht

„Manchmal wissen die Leute nicht, was sie versprechen, wenn sie es versprechen”, sagte ich. Isaac sah mich an. “Ja, klar. Aber man muss seine Versprechen trotzdem halten. Genau das ist doch Liebe. Liebe ist, das Versprechen trotzdem zu halten.“ (John Green: Das Schicksal ist ein mieser Verräter) Der Himmel ist grau. Ab und an reißt die kompakte, schwere Masse auf und ein Sonnenstrahl verliert sich auf dem nassen Boden. Reflektiert sich in Pfützen und wird doch, nur Sekunden später, wieder vom Nebel verschluckt. Wie schade… Den nächsten versuche ich, festzuhalten. Ich öffne meine Hand und strecke sie aus. Mit den Fingerspitzen berühre ich das Licht. Tausende kleiner Staubkörner leuchten. Ich lächle und greife zu, greife mitten hinein in das Licht und verschließe meine Hand fest zu einer Faust. Fast zeitgleich schiebt sich die graue Wolkenmasse wieder vor die Sonne. Ich fröstle, als der Wind unter meinen Schal fährt und mich am Hals kitzelt. Eine Gänsehaut wandert meinen Rück