Von verhexten Beziehungen

In den letzten Minuten hab ich viele Sätze getippt, nur um sie anschließend wieder zu löschen. Ich kann fühlen, was ich schreiben will, aber es fällt mir schwer, es auf den Punkt zu formulieren: Es beschäftigt mich seit ein paar Tagen mal wieder intensiv, dass ich in den allermeisten meiner Beziehungen das Gefühl habe, nicht gesehen zu werden und nicht gut genug zu sein.  Da ist zum Beispiel die enge Freundin, die mir Tag und Nacht WhatsApp-Nachrichten schreibt, mich quasi in Echtzeit an ihrem Seelenleben teilhaben lässt, aber nicht einmal auf die Idee kommt, mich zu fragen, was los ist, obwohl ich klar formuliere, dass es mir nicht gut geht. Da ist der Mann, der in all den Jahren nicht auf die Idee gekommen ist, mich heiraten zu wollen. Vermutlich weil ich nicht gut genug bin. Was einerseits okay ist, weil ich nicht heiraten will, aber andererseits in stummer Beharrlichkeit das Gefühl in mir erzeugt hat, dafür wohl nicht gut genug zu sein. Ein Gefühl, das schmerzt. Da ist die Freundin

Vom völligen Chaos

Für mich. Nachtgedanken. Nicht nachvollziehbar, wirklich.

Es ist Samstag, 2.41 Uhr. Ich habe, wie in fast allen Nächten der vergangenen Woche, etwa eine Stunde tief geschlafen. Vielleicht auch zwei Stunden. Wenn man den Wahrheitsgehalt der Aussagen, die in dieser Woche über mich getroffen wurden, anhand meines Aussehens überprüfen würde, würde man zu dem Ergebnis kommen, dass alles, was über mich gesagt wurde, wahr sein muss. Ich sehe richtig scheiße aus. Und so fühle ich mich auch.

Die Woche, die hinter mir liegt, ist mir nicht nur an die Substanz gegangen. Sie hat mich, noch bevor sie mit einem lauten Knall endete, so sehr den Boden unter den Füßen verlieren lassen, dass ich einen alten Weg gehen musste, um mich selbst zu spüren - weil alle anderen Gefühle einfach nicht mehr aushaltbar waren und ich einen Ausgleich schaffen musste, um weitermachen zu können. Das aufzuschreiben, ist mir unangenehm, auch wenn ich es nur "durch die Blume" formuliert habe. Aber ich hoffe, mich durch das Schreiben vielleicht auch wieder, wenigstens ein Stück weit, erden  zu können.

Viel gelernt habe ich in dieser Woche. Die wohl schockierendste Erfahrung war, wie unterschiedlich zwei Menschen ein und die gleiche Sache empfinden können. Danach habe ich mich mir selbst fremd gefühlt, absolut unliebenswert, kompliziert und... Ich weiß nicht. Ich habe mich berühren und erschüttern lassen. Sehr tief und vielleicht auch ein wenig zu sehr. Dennoch bereue ich das nicht. Ich wollte brennen und das habe ich. Ich habe mir die Finger verbrannt, aber ich kannte das Risiko. Es ist okay. Nur das ich so viele Dinge nicht verstehe, das nagt an mir, beständig. Dass ich nicht verstehe, wie ich so sehr ich sein und doch so missverstanden werden konnte. Das Schlimmste ist, dass ich, jetzt, im Nachhinein, nicht mehr sagen kann, was wahr war. An Worten. Dass mir die Möglichkeit nachzufragen genommen wurde. Dass ich das Gefühl habe, mich jemandem gegenüber befunden zu haben, der es kaum noch aushalten konnte, mit mir in einem Raum zu sein. Dass ich... Ich weiß nicht. Ich habe es nicht gemerkt. Ich fühle mich einfach so... Als ob ich mich vor mir selbst ekeln müsste. Das erste Mal seit Wochen habe ich mich einfach nur treiben lassen. Bei einem Menschen. Ich habe nicht nachgedacht, mich nicht verstellt, ich war genauso emotional angegriffen, wie ich es derzeit bin und so echt, dass ich vor einem Menschen, den ich nicht besonders gut kenne, losgeweint habe, was ich noch nie getan habe. Das ist mir nicht leichtgefallen, aber ich konnte es nicht kontrollieren und ich wollte es auch nicht. Ich habe nicht einmal ernsthaft versucht, mich zu verstecken. Ich verstehe nicht, wie ich nicht merken konnte, dass... Ich habe mich einfach so sicher gefühlt. Habe mich völlig blind von Impulsen leiten lassen. Ich verstehe einfach nicht, was passiert ist. Das macht mich wahnsinnig. Aber ich verstehe es nicht. Gar nichts davon. Einfach... nichts. Egal, wie ich es zerdenke. Es bleibt nie lückenlos.
Ich weiß nur, dass ich einen Tag später lächeln musste, weil ich zwei Hände auf meinem Gesicht spürte, so, als ob ich noch einmal weinen würde, und weil sie sich gut anfühlten. Und dass dann alles anders kam. Ganz anders. Irgendwie... brachial. Ich war vollkommen unvorbereitet auf das, was kommen sollte.

Und mein Versuch, mit dem, was kommen sollte, umzugehen, scheiterte glorreich. Ich wusste genau einen einzigen Menschen, bei dem es mir möglich gewesen wäre, die Geschichte annähernd zu erzählen. Oder Eckpunkte anzudeuten. Aber bei genau diesem Menschen lief ich auf. Sauber. Was ziemlich bewundernswert ist, wenn man berücksichtigst, wie oft ich... versuche, nach anderen Händen zu greifen. Nämlich... wirklich nur, wenn ich mir wirklich nicht mehr anders zu helfen weiß. Eigentlich... fast nie.
Was ich zu hören bekam, war ein anders formuliertes: Das hast du verdient.
...
Ja.
Vielleicht.
Ich weiß nicht.
Vielleicht habe ich das. Darüber muss ich nachdenken.
De facto ist mir jetzt wenigstens bewusst, dass ich mich an die denkbar falscheste Person gewandt habe. (Kann man das Wort "falsch" steigern? Vermutlich nicht. Falsch bleibt immer falsch und kann nur falsch sein.) Aber in diesem Moment konnte ich nicht differenzieren. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, weiß ich auch nicht, ob die falsche Wahl der Person diese Reaktion rechtfertigt. Für mich fühlt es sich nicht so an.

Den Rest der Woche belancierte ich schon nicht mehr auf meinem Drahtseil, sondern hielt mich nur noch an ihm fest. Mit dem kleinen Finger. Immerhin konnte ich in der Arbeit abtauchen. Mit gelegentlichen Pausen auf der Toilette, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Immer die drohende Familienkrise vor Augen. Offensiv ausgeübten Druck und unterschwellige Aggressionen im Rücken. Ohne wirkliche Möglichkeit zum Rückzug, was vielleicht das ist, was mich derzeit am meisten aufreibt. Das es nach über einem Jahr allmählich anstrengend wird, aus einer Reisetasche heraus zu leben. Dann das Familientribunal. Ein Streit mit den Großeltern. Ein halber mit dem Sonnenmädchen. Aber wenigstens eine Tumorentwarnung, einen meiner engsten Vertrauten betreffend, die mich auch in letzter Zeit aufgerieben hat.

Freitagabend dann der - hoffentlich - finale Knall. Ich finde mein Leben, gespickt mit persönlichen Details sowie schillernden Spekulationen vor einem Haufen fremder Menschen ausgebreitet. Ich fühle mich nackt ausgezogen und an den Pranger gestellt. Teilweise berechtigt, teilweise unberechtigt. Völlig unvorbereitet zum Mittelpunkt einer Diskussion zu werden, ist, gelinde gesagt, beschissen. Ich habe keine Lust, mir von einem Haufen Menschen, die lediglich eine einseitige Darstellung aller Dinge kennen, verurteilen zu lassen. Ich habe keine Lust, mich zu einer Gegendarstellung zwingen zu lassen. Und ich habe auch keine Lust, mich als feige, scheiße, als... als was auch immer bezeichnen zu lassen. Mich be- und verurteilen zu lassen. Ich bin kein Vorführobjekt, kein Boxsack, bin nicht unverletzbar. Sicher nicht. Und ich... Das war eine Frage des Vertrauens. Ich bin nicht bereit, das zu verzeihen. Ich will es auch schlicht und ergreifend nicht sein. Und ich hoffe, bete, sehne, wünsche, dass das so bleibt. Es reicht. Ich bin viel zu lange geblieben. Habe immer und immer wieder einen Kampf gegen mich selbst geführt. Um das Verzeihen. Um Schritte vorwärts zu machen. Um Verletzungen zu übergehen. Und mich selbst. Weil ich ich bin. Weil ich verzeihen kann. Weil ich es gerne tue. Weil ich geduldig bin. Immer und immer wieder. Weil ich der weltriesigste, dämlichste, ... weil ich einfach so ein riesiger Idiot bin.
Dennoch schaffe ich es wenigstens, ganz unmittelbar, deutliche Grenzen zu ziehen. Ich schließe das Windlicht für den Menschen, durch den es entstanden und an dem es gewachsen ist. Und ziehe eine Grenze. Die Grenze zwischen ihm und mir. Deutlich. Freundlich. Aber bestimmt. Und derjenige versteht es. Oder tut zumindest so. Wie auch immer. Im Gegenzug verspreche ich, unaufgefordert, in Zukunft dieses Thema hier außen vor zu lassen. Das hier sind demnach die letzten Zeilen dazu.
...

Jemand hat in dieser Woche zu mir gesagt: "Ah, das ist gut, was sie da machen! Das ist eine Erfahrung, die sie hart machen wird! Das ist gut!". Was ist denn bitte gut daran? Ich verstehe das nicht. Ich verstehe nicht, warum mein Umfeld es als so erstrebenswert empfindet, dass ich hart werde. Zu gerne schaue ich nach rechts und links, vollziehe nach, versetze mich hinein, verzeihe, stolpere, scheitere, verzweifle, beginne neu. Warum soll ich hart werden? Mich schützen? Wenn ich beginne, mich zu schützen, noch bevor Verletzungen zur wirklichen Bedrohung werden, dann habe ich das Gefühl, mich dem Leben und dem, was es bietet, zu verschließen.
Klar, manche Dinge tun scheiße weh. Wenn ich auf die letzte Woche zurückblicke, dann kann ich feststellen, dass ich so richtig den Boden unter den Füßen verloren habe. Dass ich mich mies gefühlt habe. Wirklich mies. Mies und vor allem allein. Aber vielleicht gehört das dazu. Vielleicht geht es ja darum, alles einmal zu fühlen. Allem einmal eine Chance zu geben. Vielleicht..., nur vielleicht... vielleicht geht es ja darum, an dem zu wachsen, was uns gegeben wird. Vielleicht ist all das, was passiert, Konsequenz. Vielleicht ist es wirklich "verdient". Also... verliere ich den Boden unter den Füßen, weine und vielleicht... schreie ich den ganzen Scheiß aus mir heraus, tue mir selbst leid, soweit... wie es mir hilft, und dann... mache ich weiter. Dann stehe ich irgendwann, wenn ich soweit bin, wieder auf, klopfe mir den Staub von der Kleidung und mache weiter. Beginne von vorne. Dann lerne ich draus. Damit... ich es beim nächsten Mal anders machen kann. Irgendwie... besser.

Es ist 4.50 Uhr.
Ich sollte wenigstens versuchen, zu schlafen. Aber die Woche steckt mir in den Knochen. Ich habe das Gefühl, die letzten Sicherheiten verloren zu haben. Und ich bin auch nicht müde. Ganz im Gegenteil. Meine Augenlider sind schwer, aber mein Herz flattert.

Trotzdem fühle ich mich ein bisschen leichter, als vor dem Schreiben dieser Worte. Den Rest erledigt der Tee. Er wärmt mich von innen.
Das hier ist... innerliche und äußerliche Fellpflege.
Genau das, was ich im Moment brauche.
Rausschreiben.
Und dann... alles irgendwie wegschlafen.
Um irgendwann genug Distanz zu haben, um die Dinge zu verstehen und mich zu ändern.

Bald werde ich hier wieder positiver.
Ich muss mich nur fangen.
Und... das ist in Arbeit.

(Ohrwurm der Woche... In laut. So laut wie es geht.)

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